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Rath Yatra2

Wie kaum eine andere Weltregion ist Indien ein Land grandioser Feste und sie sind so bunt und ungestüm wie das Land selbst. Die meisten haben einen religiösen Ursprung, denn mit ihren Festen feiern die Menschen ihre Götter. Doch es ist gerade die für Indien typische Einheit von religiöser Gedankenwelt und prallem Leben, die ihre einzigartige Faszination ausmacht. Jene unvergleichliche Mischung aus exotischer Farbenpracht, zeremoniellem Glanz und magischem Zauber, aus religiöser Inbrunst bis hin zur Ekstase, aber auch aus weltlichem Trubel und überquellender Lebensfreude, die alle Sinne anspricht und jeden Besucher in ihren Bann zieht. Und dann sind da noch die religiösen Großereignisse, die mit der Intensität ihrer Bilder und Eindrücke die Vorstellungskraft westlicher Reisender bis an die Grenze strapazieren. Hierzu gehört zweifellos auch die „Rath Yarta“ die „Große Wagenreise der Götter“ von Puri in Orissa im Nordosten Indiens.
Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stehen die Gottheiten „Jagannath“, sein Bruder „Balabhadra“ und deren Schwester „Subhadra“. Jagannath ist eine Manifestation von Krishna, d.h. letztlich steht hinter ihm kein anderer als der große Vishnu selbst. Das Jahr über verweilen die Bildnisse der Gottheiten in dem großartigen Sri-Jagannath-Tempel, der zu den vier heiligsten Tempeln von ganz Indien gehört, zu dem aber nur Hindus Zugang haben. Einmal im Jahr, zwei Tage nach Neumond im Monat Ashadha (Juni/Juli), verlassen sie ihren angestammten Platz, um auf gewaltigen Tempelwagen eine Reise zu ihrem „Gartenhaus“, dem Gundicha Ghar- Tempel, ca. drei Kilometer entfernt anzutreten.
Der mythologische Hintergrund dieser Götterreise ist vielschichtig und verworren. Nach einer Version soll sie an den Abschied von Krishna und seinem Bruder Balrama (Balabhadra) erinnern, als sie auf einem Wagen die Stätten ihrer Kindheit in Gokul verließen und nach Mathura zogen, wo Krishna dann später den Dämonenkönig Kansa tötete. Eine andere Geschichte bringt die Wagenreise in Zusammenhang mit der Rückkehr von Krishna und seinen Geschwistern aus dem großen Krieg, den das Epos „Mahabharata“ beschreibt. Eine weitere Legende erzählt, daß Gundicha Ghar der Geburtsort von Jagannath sei und er seinem Wunsch Ausdruck verliehen habe, diesen Ort einmal im Jahr besuchen zu wollen. In tiefsinniger Interpretation wird die Yatra auch mit der sich ständig wiederholenden Reise des Lebens, mit „Samsara“, den vielen Zyklen von Tod und Wiedergeburt, verglichen, wobei im Hinduismus vielfach das Bild des Wagens benutzt wird. Welcher Deutung die Gläubigen auch anhängen mögen, in jedem Fall präsentiert sich die Rath Yatra als wahrhaft gigantisches Spektakel, als größtes Wagenfest der Welt, das in jeder Hinsicht alle gängigen Vorstellungen sprengt und mehr als eine Million Gläubige und zahllose Besucher aus aller Welt anzieht.
Die Fahrzeuge, derer sich die Gottheiten auf ihrer Reise bedienen, haben in der Tat gigantische Dimensionen. In der Form sind sie ihrem Tempel nachgebaut, damit Jagannath und seine Gefährten ihre vertraute Umgebung nicht verlassen müssen. Der größte, gelb-rote Tempelwagen „Nandighosha“ gehört Jagannath. Er misst 14 Meter in der Höhe und 10 Meter in der Breite und steht auf 16 gewaltigen Rädern von zwei Meter Durchmesser. Nur geringfügig bescheidener gibt sich das grün-rote Gefährt „Taladhvaja“ von Balabhadra mit 14 Rädern. Der schwarz-rote Wagen von Subhadra „Deviratha“ ist mit 13 Metern Höhe etwas kleiner und ruht auf 12 Rädern.
Jedes Jahr werden die Wagen nach uralten Plänen und Regeln auf dem Tempelvorplatz neu gebaut. Zwei Monate sind 125 Tempelschreiner damit beschäftigt, sie aus mehr als zweitausend Einzelteilen, für die über tausend Baumstämme bearbeitet werden müssen, zusammenzusetzen. Danach werden 20 Holzschnitzer benötigt, sie mit kunstvollem Zierwerk und Skulpturen zu versehen. Wohlhabende Geschäftsleute spenden Jahr für Jahr tausend Meter kostbaren Stoff, der die Wagen in ihr prächtiges farbiges Gewand hüllt. An ihrer Stirnseite sind 50 Meter lange, mehr als armdicke Zugseile befestigt. Tausende von Menschen empfinden es als großes Glück, mit aller Kraft an den Seilen ziehen zu dürfen, um die rollenden Tempel auf dem Weg fortzubewegen.
Doch so weit ist es noch lange nicht. Zuvor müssen die Gottheiten in tagelangen, aufwändigen Zeremonien und Kulthandlungen auf ihre Fahrt vorbereitet und eingestimmt werden. Die ersten beginnen bereits lange vorher, wenn sich die Wagen noch im Bau befinden. In einem Badefest, der sog. „Snana- Yatra“ erhalten sie eine rituelle Waschung, wobei sie von Priestern mit einhundertacht Krügen Wasser aus einer heiligen Quelle übergossen werden. Das einige Tage später anschließende „Anavasara“-Fest markiert eine Zeit, in der sich Jagannath im Tempel vor den Gläubigen verbirgt, weil er „krank“ danieder liegt. Während des „Anga-Raga“-Festes malen auserwählte Künstler im innersten Schrein des Tempels die hölzernen Bildnisse, die im wesentlichen übergroße Gesichtsmasken darstellen, neu aus. Jagannath wird symbolisiert von einer schwarze Maske, Balabhadra von einer weißen und Subhadra von einer gelben. Die Bemalung der Augen jedoch, die das Wesen der Gottheiten verkörpern, bleibt den Priestern in einem speziellen Ritual vorbehalten. Bei den Vorbereitungen wird den Idolen zudem ein opulentes Festmahl gereicht, mit dem sie sich für die Reise stärken.
Nachdem die Wagen hergerichtet sind, bleiben sie eine zeitlang auf dem Tempelvorplatz am „Singhdwa“, dem Löwentor, stehen, damit die Gläubigen sie gebührend bewundern können. Dann ist es endlich so weit. In einer farbenprächtigen Zeremonie werden die Idole, in Seidentücher gehüllt und reich mit Blumengirlanden geschmückt, unter Gebeten und Gesängen der Gläubigen von den Priestern auf die Tempelwagen gehoben. Mit großem Pomp haben sich inzwischen Mitglieder der Maharadscha-Familie von Puri auf prunkvoll dekorierten Elefanten eingefunden, um den Gottheiten die Ehre zu erweisen. Der Maharadscha selbst fegt mit einem goldenen Besen symbolisch die Plattform von Jagannath’s Wagen, und besprengt sie mit heiligem Wasser. Er zeigt sich so als ergebener Diener der Gottheit und bereitet gleichzeitig der Yatra den Weg. Damit ist die Rath Yatra eröffnet, das Riesenspektakel der „Wagenreise der Götter“ kann beginnen
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D
ie ganze Stadt vibriert in Erwartung des großen Ereignisses. Die Gebäude an der breiten Hauptstraße von Puri, der „Bara Danda“, die zum Gundicha Ghar-Tempel führt, sind mit bunten Fahnen,  Blumengirlanden, Lichtern und Rangoli-Ornamenten festlich dekoriert. Die Menschen in den Fenstern und auf den Balkonen haben ihre besten Kleider angelegt. In den Schaufenstern der Geschäfte sind Miniaturmodelle der Wagen und Götterbildnisse ausgestellt. Schrille Tempelmusik erfüllt die Luft, aus allen Richtungen ertönen heilige Mantras und Rufe religiöser Verzückung, die Menschenmenge versinkt in religiösem Fieber.
Jetzt endlich setzen sich die Wagenkolosse unter dem dröhnenden Klang der Trommeln und Muschelhörner, dem ohrenbetäubenden Lärm von Zimbeln und Gongs und dem erregten Stimmengewirr einer unübersehbaren Menge enthusiastischer Pilger ächzend und schwankend in Bewegung. Den Anfang macht Balabhadra’s Gefährt, gefolgt von Subhadra und Jagannath am Schluß des Zuges. Mit großer Leidenschaft zerren die Gläubigen unter Aufbietung aller Kräfte an den Tauen, um die Wagen in Fahrt zu halten. Trotzdem kommt der Zug der Tempelwagen immer wieder ins Stocken und die Gläubigen drängen ganz nah an Jagannath’s Gefährt, um ihrer verehrten Gottheit ins Antlitz schauen zu können. Religiöse Eiferer stürzen aus der Menge nach vorn, um wenigstens kurz mit an den Seilen zu ziehen. Der geheime Wunsch eines jeden Pilgers, denn dies verspricht Verdienste für das Karma und Vergebung der Sünden. Doch die Wagenkolosse sind kaum zu lenken und, einmal in Bewegung, schon gar nicht zu stoppen. Im chaotischen Geschiebe und Gedränge der Menschenmassen kommt es dabei immer wieder vor, daß Fanatiker von den Rädern überrollt und getötet werden. Offiziell spricht man von Unfällen, Insider behaupten jedoch, daß sich manche Opfer im religiösen Rausch absichtlich vor die Räder werfen, um so durch den Tod unter dem Wagen Gottes „Moksha“, die Erlösung zu erlangen.
Auf dem Weg zum Gundicha Ghar-Tempel gibt es einen amüsanten Zwischenstopp am Schrein der Göttin Aradhamsini. Sie ist die Tante von Jagannath, der die Gottheiten einen Besuch abstatten. Zum Dank werden sie von ihr mit „Padoapitha“, kleinen Reiskuchen, bewirtet, dann setzen sie ihre Reise fort. Normalerweise erreichen sie ihr Ziel bis zum Tagesende, treten jedoch unterwegs Probleme mit den tonnenschweren Fahrzeuge auf, kann dieser Teil der Reise auch mehrere Tage dauern. Am Gundicha Ghar-Tempel angekommen, verbleiben die Götterbildnisse noch eine Zeit in ihren Tempelwagen, bevor sie in ihr „Gartenhaus“ einziehen. Die Gläubigen nutzen die Gelegenheit, den Gottheiten ganz nahe zu kommen und in dichten Trauben hängen sie auf Jagannath’s Wagen.
Dann ziehen die Gottheiten in ihr Gartenhaus ein und die Gläubigen entfalten vielfältige religiöse Aktivitäten mit Pujas, Gebeten und Opferungen. Denn nur an diesen Tagen der Rath Yatra können sie ihrem Gott so offen begegnen. Aber auch die Gottheiten selbst entwickeln ein reges, geradezu menschlich anmutendes Eigenleben und inszenieren einen „göttlichen Ehestreit“. Bei seinem Ausflug hat Jagannath seine Gattin, die Göttin Lakshmi, in seinem Haustempel zurückgelassen. Diese gerät darüber in Rage und läßt sich nachts in einer Sänfte zum Gartenhaus bringen. Lauthals fordert sie ihren Gemahl auf, zu ihr in den Stammsitz zurückzukehren, wobei ihre persönlichen Tempeldienerinnen, die Dewadasis ihr die Stimme leihen. Als Jagannath Lakshmi erblickt, lässt er die Türen zum Gartenhaus schließen und sperrt sie aus. Darüber noch mehr erbost, bricht Lakshmi ein Stück aus Jagannath’s Wagen, dann tritt sie wütend den Rückweg an. Für diesen Affront wird sich Lakshmi bei der Rückkehr Jagannath’s in seinen Haupttempel noch bitter rächen.
Nach einer Woche Aufenthalt in der Sommerfrische des Gartenhauses kehren die Gottheiten in einer erneuten großen Wagenprozession, der  sog. „Bahua Yatra“ in den Sri- Jagannath-Tempel zurück. Wieder eröffnen sich die schon vertrauten Bilder wogender Menschenmassen und euphorischer Pilgerscharen im religiösen Überschwang, die den Zugweg säumen. Doch jetzt sind es weniger Gläubige, denn manche befinden sich schon auf dem Heimweg. Meistens gestaltet sich die Rückreise schwieriger und dauert länger als der Hinweg, denn die Wagenkolosse zeigen schon deutliche Ermüdungserscheinungen. Nur unter größten Anstrengungen lassen sie sich ächzend und quietschend vorwärts bewegen.
Am Haupttempel angekommen, wartet die Rath Yatra noch einmal mit einem zeremoniellen Glanzpunkt auf, dem für das gesamte Fest große spirituelle Bedeutung zukommt. Bevor Jagannath und seine Begleiter wieder ihren angestammten Platz im Tempel einnehmen, werden ihre Gesichtsmasken von den Priestern unter Gebeten und geheimnisvollen Ritualen mit goldenen Armen und Füßen bestückt und mit kostbaren Kronen und Schmuck dekoriert. Vielen Hindus gilt dieser Tag als der segenreichste des ganzen Festes. Betend umrunden sie die drei Wagen und erflehen damit das Wohlwollen der Gottheiten.
Bei der Rückkehr in den Tempel überreicht Jagannath seiner Gemahlin Lakshmi durch die Hand seiner Diener einen Kranz, um sie nach den Ehezwist  zu besänftigen. Doch Lakshmi lässt sich darauf nicht ein und hinter verschlossenen Tempeltüren gehen die Streitigkeiten weiter, die stellvertretend von den Tempeldienern ausgetragen werden. Erst als Jagannath reumütig klein beigibt, tritt Frieden ein und die Tempeltüren öffnen sich wieder. Die Rath Yatra ist zu Ende.
Die Wagen sind jetzt nur noch religiöse Staffage. Sie werden in ihre Einzelteile zerlegt und im Tempel als Brennholz genutzt, zum Teil auch als „Reliquien“ an die Pilger verkauft. Dem Besucher jedoch werden die Bilder und Eindrücke von der Rath Yatra noch lange im Gedächtnis haften. Der überwältigende Anblick der gigantischen, prunkvoll geschmückten Tempelwagen, die sich mühsam den Weg durch ein Meer verzückter Menschen bahnen, der Kakophonie ohrenbetäubender Tempelmusik, die die Gläubigen in einen Rauschzustand versetzt, den Szenen ursprünglicher, hingebungsvoller Gläubigkeit, aber auch den Ausbrüchen religiöser Inbrunst bis hin zur Ekstase, zur Hysterie, die sogar den Tod in Kauf nimmt in der Hoffnung auf ewige Erlösung. Derart eindringliche Erfahrungen und Erlebnisse werden dem Reisenden nur in Indien zuteil. Die genauen Kalenderdaten der Rath Yatra und der übrigen Feste finden Sie für das laufende Jahr auf unserer Seite unter den Fest-Terminen von Indien.

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